Wo geht’s hier lang?
Wenn Bioware ruft, stehen die Zocker Schlange, vor allem die RPGler. Das war Mitte der Neunziger so, alle das Genre der Rollenspiel für Tod erklären wollten. Gemeinsam mit Blizzard hob man die RPGs wieder auf den Radar der Redakteure und vor allem wieder auf den Radar der Spieler. Blizzard zeigt mit Diablo wie ein actionorientiertes RPG auszusehen hatte. Bioware zeigt dagegen wie man Tabletops und „Oldschool-RPGs“ auf dem PC neu beleben konnte. Baldur’s Gate war geschafffen worden. Man war das ein Kracher, laut Presse und vielen meiner Freunde. Ich war damals aber, vermutlich aus jugendlichem Leichtsinn nicht so für die Baldurs Gate Reihe zu begeistern. Seit damals habe ich leider keinen weiteren Versuch unternommen mit dem Game warm zu werden, aber bald, ja bald werde ich mir die beiden Teile mit Addon zulegen und durchspielen. Oder so. Mit Neverwinter Nights gelang Bioware gleich noch ein Hit, der war dann schon mehr nach meinem Geschmack, endlich 3D und alles ein weniger besser geordnet. Aber noch nicht das, wonach ich gesucht habe. Dann kam Knights oft he Old Republic, die Rollenspielerlösung nach der ich all die Jahre gesucht habe. Und dann auch noch in meinem Lieblingssetting: Star Wars. So fanatisch hatte ich davor zuletzt Command & Conquer Alarmstufe Rot 2 gespielt. Aber KotOR fesselte mich so sehr das ich es glatt an einem Wochenende in unter 20 Stunden durch gespielt hatte. Aber eben nur auf der guten Seite. Ein zweiter Durchlauf folgte demnach recht kurz darauf. Wenn jemand Erfahrung mit Geschichten Erzählen hat dann Bioware. Und das beweisen sie auch dieses mal wieder.
Ihr startet wie in jedem Bioware RPG mit der Charaktererstellung. Ihr gebt diesmal nur einen Spitznamen ein anstatt einen vollen Namen wie in den meisten anderen Titeln. Danach folgt das, was halt immer folgt. Man legt seine Klasse fest, vergibt Punkte in die verschiedenen Tätigkeiten. Neu ist diesmal das man seine Vorgeschichte bestimmen kann, dazu wählt man aus verschiedenen, vorgefertigten Textphrasen eine passende aus. Am Anfang werdet ihr des Öfteren auf eben diese angesprochen oder ihr habt einen „Zusammenprall“ einer Person aus eurer Vergangenheit. Allerdings nichts Storyrelevantes.
Das Dialogsystem ist bereits aus KotOR und ähnlichen Titeln bekannt. Euer gegenüber sagt was, dann habt ihr die Möglichkeit aus einer Reihe von möglichen Antworten eine für euch passende Auszuwählen. Leider waren bei KotOR die Sätze ausführlicher und euch war stehts klar was ihr da nun von euch gebt. In ME allerdings habt ihr das Problem das ihr nicht mehr den Satz auswählt sondern eben nur eine grobe Richtung definiert. Dabei ist aber auch alles gleich zu KotOR geblieben. Die oberste Antwort ist die Gute Antwort, bringt also womöglich Punkte für vorbildlich. Die mittlere Antwort ist die Standardantwort bei der man relativ gesichtslos bleibt. Die unterste, meine liebsten Antworten gibt’s hier, sind dann die Bösen Antworten, für die gibt’s dann Punkte im Bereich „abtrünnig“. Vorbildlich und Abtrünnig kann man sich wie die Macht in KotOR vorstellen, nur das man diesmal in beiden Bereichen Punkte sammeln kann und sich diese nicht irgendwann aufheben. Zusätzlich könnt ihr auch noch Punkte in die Fertigkeiten Schmeicheln und Einschüchtern verteilen. Mit beiden Möglichkeiten könnt ihr Konflikte umgehen, wobei die Wahrscheinlichkeit bei „Einschüchtern“ höher ist, dass das ganze im Kampf endet.
Weil wir grad bei den Kämpfen sind: Vergesst KotOR, denkt eher an Jade Empire. Die Kämpfe sind nicht mehr so statisch wie damals bei den guten alten Siths (oder Jedis). ME fühlt sich, je nach Spielweise, eher an wie ein Shooter. So lauft wir mit eurer Waffe, bei mir meistens das Sturmgewehr, im Anschlag durch die Korridore oder auch mal so auf dem Planeten rum. Die Gegner werden nicht selbstständig anvisiert, sondern ihr müsst, wie in einem Shooter, die Gegner selbstständig anvisieren und abdrücken. Keine Hilfe, keine Tricks, kein doppelter Boden. Auf dem leichtesten Schwierigkeitsgrad verkommt das Spiel für ballergeprüfte Recken schnell zu einem Run’n’Gun-Game der feinsten Sorte, das nur in wichtigeren Bossfights mal anspruchsvoll wird. Wobei das wieder sehr stark von euren Fertigkeiten abhängt. So hats ein Scharfschütze natürlich wesentlich schwerer im Nahkampf als einer der nur mit einem Sturmgewehr rum rennt. Wobei dann der Shotgunfreund starke Probleme im Fernkampf hat, der Sniper aber munter grinsen kann. Das ganze kann für euch zu einem Problem werden wenn ihr ein falsches Team habt, denn das ist wirklich wichtig. Auch wenn nach eurem Tod das Spiel grundsätzlich vorbei ist.
Bei der Teamauswahl habt ihr wie immer die Möglichkeit aus den verschiedenen Charakteren zu wählen, die ihr im Laufe eurer Tour aufgesammelt habt. Diese unterscheiden sich in Aussehen, Rasse, Gesinnung. Das wäre aber schon sehr wenig. Als weitere Unterscheidungsmerkmale gibt es dann noch Biotik-, Kampf- und Techtalente. Wie ihr euer Team zusammenstellt ist in den meisten Situationen egal, es kommt auf eure Spielweise an und was ihr alles erreichen wollt. Ich hab z.B. mein Team stehts rein auf die Kampfkraft ausgelegt, dafür konnte ich aber viele Geheimnisse nicht entschlüsseln, weil keiner meiner Mitstreiter eine dafür notwendige Fähigkeit parat hatte. Dafür musste ich auch nie nett anklopfen sondern konnte immer die Tür gleich mit nehmen, weil mein Team einfach stark genug war.
Grafisch macht das Spiel viel richtig, aber nicht alles. So hat mich zu Beginn der Rauschfilter schon sehr gestört, aber wenn ich ihn abgeschalten hatte fehlte der Optik einfach der letzte Biss. Die Charaktere sind sehr detailiert, man erkennt die unterschiedlichen Kampfanzüge und –waffen die ihr tragen könnt. Die Mimik ist auch sehr gut gelungen, zumindest von den Menschen, die anderen Rassen hab ich ja noch nie getroffen. Die bleiben aber meistens doch recht steif im Gesicht. Die Gestik ist auch gut gelungen, aber nicht wirklich der Überflieger. Viele der drohenden Gesten kommen einem absolut harmlos vor. Das hat 2 Gründe. Zum einen ist die Synchro an der Stelle gelegentlich unpassend zum anderen passt die Geste nicht immer zur gegebenen Antwort. Die Planetenoberflächen sind auch meistens sehr steril, es bewegt sich nichts und niemand. Ihr landet dort, erkundet kurz ob ihr vielleicht Minerale oder irgendwas besonderes seht, dann geht’s zur erst besten Basis, aus eurem Fahrzeug aussteigen, rein ins Haus und alles nieder mähen. Fertig. Was auch oft recht störend ist sind Ruckler wenn ihr schnell um Ecken sprintet, die kommen zwar nicht bei jeder Ecke aber gelegentlich. Auch fehlen von Zeit zu Zeit nach einer Ladesequenz scharfe Texturen. Das sind dann eben so verwaschene Teile auf der Kiste, aber die galten zu PS1-Zeiten als Texturen. Das kann aber auch daran liegen das ich das Spiel ohne Festplatte gestartet hatte und vor ein paar Wochen dann von der Memory Unit zur HDD gewechselt bin. Ansonsten gibt es nicht viel zu meckern, die Optik sieht gut aus, wirkt realistisch und es macht Spaß sich darin zu bewegen. Einen kleinen Dämpfer gibt’s aber dennoch. Die kleinen Stationen und Gänge auf Planeten wiederholen sich sehr oft, zwar verlauft ihr euch nicht in denen, aber wenn ihr den dritten Planeten in Folge bereist und wieder in den selben Hallen wandelt fasst ihr euch dann doch langsam mal an den Kopf. Das geht besser, ich hoffe auf Nachbesserung bei Teil 2.
Zum Sound, das ist ja immer so eine Sache. Die Synchronisation ist meistens auf gehobenem Niveau. Wie man es eben von Bioware gewohnt ist. Leider gibt es hier auch gelegentlich mal Ausrutscher, so geht euer Held plötzlich und ohne Vorwarnung von 0 auf 180. Aber das liegt daran das die Unterhaltungen ja nicht festgelegt sind sondern euren Entscheidungen folgen. Die bösen Figuren hören sich böse an, die Guten hören sich eben gut an, zumindest wenn es um euer Team geht. Die Figuren haben auch immer die passende Stimme zu ihrem Charakter. Die Waffen hören sich gut an, aber nichts besonders. Irgendwann werdet ihr die Sound eh ignorieren, weil ihr so schon so oft gehört habt.
Fazit:
Mass Effect ist ein Klasse Rollenspiel. Es macht viele bekannte Fehler die Bioware mit Jade Empire und KotOR gemacht hat nicht, aber dafür eben auch ein paar kleinere neue. Nichts was wirklich schlimm wäre, aber dem geneigten Zockern werden diese Auffallen. Für jeden unter euch der irgendwas (positives) mit Bioware RPGs verbinden kann, soll bei ME zugreifen noch bevor der Nachfolger erscheint, denn hier wird wirklich ein wahres Feuerwerk abgebrannt.
Das gilt allerdings nur für die Xbox 360 Version. Bei der PC-Version rate ich allen sich vorher ausgiebig über den Kopierschutz zu informieren. Nach momentanem Stand wird der die bisherigen Grenzen sprengen und schon leicht an eine Art der Perversion in Bezug auf „Ärgern wir den ehrlichen Käufer“ enden.
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